Sowohl im Besteuerungsverfahren als auch im Steuerstrafverfahren streitet man sich seltener darüber, wie das Recht anzuwenden ist, als über die zugrunde gelegten Tatsachen. Die Frage ist immer, was passiert ist und wer das Ganze beweisen muss. Wem fällt die Nichterweislichkeit von Tatsachen auf die Füße?

 

1. Besteuerungsverfahren

Im Besteuerungsverfahren gilt folgendes:

Die Beweislast wird Feststellungslast genannt.

Das Finanzamt ist feststellungsbelastet für die steuerbegründenden Tatsachen.

Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für die Tatsachen, die Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen oder sonstige Steuervergünstigungen begründen oder den Steueranspruch aufheben oder einschränken.

Das Finanzamt muss also zum Beispiel beweisen, dass Sie eine Betriebseinnahme hatten und der Steuerpflichtige muss beweisen, dass er eine Betriebsausgabe hatte.

Das Finanzamt muss beweisen, dass ein Steueranspruch entstanden ist und der Steuerpflichtige muss beweisen, falls der Steueranspruch erloschen ist, zum Beispiel durch Erfüllung.

Über dem Ganzen schwebt als Prozessmaxime die Amtsaufklärungspflicht. Sowohl das Finanzamt als auch im Fall der gerichtlichen Auseinandersetzung das Finanzgericht müssen den Sachverhalt von Amts wegen aufklären. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zum Zivilprozess, in welchem der Beibringungsgrundsatz gilt, nach welchem der Richter nur das werten darf, was die Streitparteien zum Gegenstand des Prozesses machen.

In der Praxis ist es mit der Amtsaufklärungspflicht aber nicht weit her. Denn der Steuerpflichtige ist zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhaltes verpflichtet (§ 90 Abs. 1 Satz 1 AO). Wenn er der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt und nötige Auskünfte nicht gibt, kann dies gegen ihn gewertet werden.

 

2. Strafverfahren

Auch im Strafverfahren gilt die Amtsermittlungspflicht. Staatsanwaltschaft und Gerichte müssen von Amts wegen den Sachverhalt aufklären. Im Gegensatz zum Besteuerungsverfahren muss hier der Beschuldigte nicht mitwirken. Er hat das Recht zu schweigen und aus seinem Schweigen dürfen keine negativen Rückschlüsse gezogen werden.
Dass dies in der Praxis gleichwohl geschieht, führe ich in meinem Blog Inertia-Effekt, Schweigerecht und dubio pro reo aus.

Aber vom Grundsatz her tragen das Finanzamt und im Fall der Anklageerhebung die Staatsanwaltschaft und das Gericht die Beweislast für steuerbegründende und steuerentlastende Tatsachen. Der richtige Steueranspruch muss also von Amts wegen ermittelt werden.

Deswegen hat man bei schwierig aufzuklärenden Sachverhalten grundsätzlich im Strafverfahren bessere Karten als im Besteuerungsverfahren, denn bei einer Nichtaufklärung des Sachverhaltes wird es schwer, den Beschuldigten zu verurteilen. Im Besteuerungsverfahren dagegen kann das Finanzamt den Steueranspruch schätzen und der Steuerpflichtige hat es regelmäßig schwer, die Schätzung anzugreifen.

 

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Beweislast/ Feststellungslast“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig

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