Schweigen oder Reden, das ist im Strafprozess eine extrem wichtige Weichenstellung.

Viele Verteidiger raten den Mandanten per se zum Schweigen. Das liegt wohl zum einen daran, dass sie Angst haben, der Mandant könne etwas sagen, was hinterher wiederlegt wird (dann stünde der Mandant als Lügner da), oder der Verteidiger ist zu bequem, sich eingehend mit der Ermittlungsakte und dem Mandanten zu beschäftigen. Denn einfach nur das Mandat annehmen, dem Mandanten zum Schweigen zu raten und dann abzuwarten, was die Ermittlungsbehörden zutage fördern, ist recht bequem. Das ist aber selten zielführend. Wer im Strafprozess schweigt, nimmt sich die Chance, den Sachverhalt richtig und für ihn günstig darzustellen.

Außerdem geht jeder Strafverfolger sowie jeder andere Mensch automatisch davon aus, dass nur der schweigt, der schuldig ist. Rechtstheoretisch darf das Schweigen nicht zulasten des Beschuldigten gewertet werden, aber die Praxis sieht natürlich anders aus.

Stellen Sie sich vor, Sie laufen durch den dunklen Park und finden einen röchelnden schwerverletzten Mann, kommen näher und sehen, dass ein Messer in dem Mann steckt. Sie ziehen das Messer heraus und in dem Moment kommen andere um die Ecke, die sehen, wie Sie das Messer in der Hand haben. Der Schwerverletzte stirbt. Wenn Sie jetzt nicht sofort sagen, was Sie gerade erlebt haben, sondern erst einmal ganz vorsichtig schweigen, wird Ihnen später niemand mehr glauben, dass Sie das Messer nicht auch hineingesteckt haben.

Ohnehin muss man so früh wie möglich Einfluss nehmen auf das Strafverfahren. Das liegt dann am Inertia-Effekt (Trägheitseffekt), den ich an anderer Stelle beschreibe. Wenn der Strafverfolger erst einmal seine Meinungsbildung abgeschlossen hat, dann wird es schwierig, ihn oder den Tatrichter später von einem anderen Geschehenslauf zu überzeugen. Wenn Sie erst am letzten Tage der Hauptverhandlung sagen, wie es war und warum Sie unschuldig sind, glaubt Ihnen garantiert keiner mehr.

 

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Das Schweigerecht“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig