Anders als im Zivilrecht macht das Finanzamt als Gläubiger des Steueranspruches seine Zwangsvollstreckungstitel selbst.
Im Zivilrecht muss ein Gläubiger den Schuldner erst einmal verklagen, um mit dem Urteil einen Zwangsvollstreckungstitel zu erwirken, mit dem er seine Forderung auch zwangsweise mit Gerichtsvollzieher, Pfändung und Zwangsversteigerung durchsetzen kann.
Das Finanzamt setzt die Steuern in einem Steuerbescheid fest und der Steuerbescheid
ist bereits ein vollstreckbarer Zwangsvollstreckungstitel.

Wenn Steuerbescheide also nicht gezahlt werden, muss das Finanzamt den Steuerschuldner nicht verklagen, sondern vollstreckt sofort aus dem Steuerbescheid.

Folgende Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten besitzt das Finanzamt und wendet diese üblicherweise an:

  • Gerichtsvollzieher

Spezielle Gerichtsvollzieher des Finanzamtes besuchen den Schuldner zu Hause, schauen, ob bewegliche Gegenstände vollstreckt werden können und nehmen dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung ab.
Dass bewegliche Gegenstände gepfändet werden, kommt in der Praxis so gut wie nie vor.
Da müsste schon ein van Gogh an der Wand hängen oder der Schuldner lässt seine Goldmünzsammlung auf dem Tisch liegen, an dem er die eidesstattliche Versicherung unterschreiben soll.
Normale Wohnungseinrichtung, selbst wenn die Wohnung teuer eingerichtet ist, wird dagegen nicht gepfändet. Aber der Schuldner muss bei Nichtzahlung die eidesstattliche Versicherung unterschreiben.

Er muss also erst einmal Auskunft geben über sämtliche Vermögensverhältnisse. Wenn er dort lügt, ist das als falsche eidesstattliche Versicherung strafbar. Das Ganze dient dem Gläubiger, also dem Finanzamt dazu, herauszufinden, über welche Vermögenswerte der Schuldner verfügt. Freilich wird wahrscheinlich nirgends so oft gelogen wie in diesen eidesstattlichen Versicherungen.

  • Kontopfändungen

Als erstes wird das Finanzamt versuchen, sämtliche Konten des Schuldners zu pfänden.
Hier empfiehlt sich, entweder bei niedrigem Arbeitseinkommen ein P-Konto einzurichten. Oder man nutzt die Konten eines Verwandten oder eines Freundes, gegen den das Finanzamt nicht vollstrecken kann, weil dieser Dritte ja nicht Titelschuldner ist.

In dem Fall sollte man aber den Dritten öfter mal wechseln, denn wenn das Finanzamt z.B. über die eidesstattliche Versicherung Kenntnis von dieser dritten Person hat, könnte es mit einem weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschluss den Anspruch des Schuldners gegenüber dem Dritten auf Herausgabe der Beträge, die auf dem Konto des Dritten landen, pfänden. Deswegen sollte man spätestens nach Angabe dieses Kontos in der eidesstattlichen Versicherung ein neues Konto nutzen.​

  • Zwangssicherungshypothek auf Grundstück

Für den Schuldner sind Grundstücke am unangenehmsten, denn hier kann das Finanzamt mit einer Hypothek ins Grundstück gehen und das Grundstück zwangsversteigern lassen.

In der Zwangsversteigerung gibt es freilich wiederum viele Wege, das Grundstück letztlich doch noch für den Schuldner zu sichern.

  • Pfändung von Lebensversicherungen

Natürlich können auch Lebensversicherung gepfändet werden.

Schlecht sind Lebensversicherungen, die man kündigen und als „Einmal-Geld“ auszahlen lassen kann. Dies kann dann nach einer Pfändung nämlich auch das Finanzamt anstelle des Schuldners machen.
Besser sind Lebensversicherungen, die nur als Rente ausgezahlt werden können. Die davon betroffenen Auszahlungen kann man zwar auch pfänden, aber nur mit der Wirkung, dass die Pfändung im Renteneintrittsalter gilt, und dann gelten auch die für die Rente geltenden Pfändungsschutzvorschriften. Eine niedrige Rente kann so also nicht gepfändet werden.

Noch einmal ein kurzer Überblick über das Verfahren: Das Finanzamt setzt die Steuer in einem Steuerbescheid fest und kann daraus gegen den Schuldner vollstrecken.

Auch wenn der Schuldner Einspruch einlegt gegen den Steuerbescheid, hindert dies die Vollstreckung aus dem Steuerbescheid nicht. Er kann und muss den Steuerbescheid also auch zahlen, wenn er den Steuerbescheid durch Einspruch angreift und meint, dass dieser falsch sei.
Wird der Steuerbescheid hinterher aufgehoben, bekommt der Steuerpflichtige mit Zinsen sein Geld zurück.

Wenn der Steuerpflichtige während des Streits um den Steuerbescheid nicht möchte, dass er diesen für die Dauer des Streites bezahlt, muss er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen.

Aussetzung der Vollziehung des Bescheides bedeutet, dass er nicht bezahlt werden muss.
Das Finanzamt setzt auf Antrag des Steuerpflichtigen die Vollziehung des Bescheides aus, wenn das Finanzamt ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides hat.
In der Regel geht das Finanzamt natürlich von der Rechtmäßigkeit der eigenen Bescheide aus, weshalb der Schuldner in der Begründung seines Aussetzungsantrages schon Aspekte schildern sollte, die dem Finanzamt nicht oder noch nicht so bekannt waren. Oder das Finanzamt setzt von sich aus bereitwillig die Vollziehung aus, wenn es der Auffassung ist, dass man den Anspruch jetzt erst mal durch Bescheid sichern sollte, aber selbst noch nicht sicher ist, dass dieser so richtig ist.​

Wenn das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ablehnt, kann man sich direkt mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Finanzgericht wenden.
Bei dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Finanzgericht ist aber zu beachten, dass dieser Antrag dort, obwohl es sich eigentlich um ein Eilverfahren handelt, meistens monatelang dort liegt und geprüft wird. In dieser Zeit kann man eine faktische Aussetzung der Vollstreckung erwirken, indem man sich bei dem Gericht darüber beschwert, dass trotz des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung das
Finanzamt weiter vollstreckt. In der Regel wird dann, wenn der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gut begründet worden ist, der Finanzrichter das Finanzamt anrufen und Einfluss nehmen, dass nicht weiter vollstreckt wird, denn der Richter möchte sich einerseits nicht drängen lassen mit seiner Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung, andererseits wendet sich der Steuerpflichtige an den Finanzrichter ja
gerade mit dem Antrag, die Vollziehung auszusetzen, weshalb Eile geboten ist. Dies läuft dann in der Praxis wie oben geschildert auf der Tonspur, dass der Richter das Finanzamt anruft.

Wenn das Finanzgericht aber über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entscheidet, ist das dann in der Regel ein äußerst ausführlicher und gut begründeter Beschluss, gegen den dann nur noch schwer anzukommen ist, wenn die Entscheidung gegen den Steuerpflichtigen gefällt wird. Wenn man einen Sachverhalt z. B. auch aus strafprozessualen Taktiken offen halten lassen möchte, ist mit einem solchen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung Vorsicht geboten. Denn wenn das Finanzgericht als Spezialgericht ausführlich begründet, warum der Steuerpflichtige nicht Recht hat und die Steuern tatsächlich angefallen sind, könnte das für den Strafrichter eine Blaupause sein. ​

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Zwangsvollstreckung durch das Finanzamt“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig