Das Steuerstrafverfahren ist zunächst einmal ein ganz normales Strafverfahren mit der Besonderheit, dass es um den Tatbestand der Steuerhinterziehung geht.

Wie jedes Strafverfahren gliedert sich dieses in das Ermittlungsverfahren, das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren.

Das Ermittlungsverfahren beginnt mit einem sogenannten Anfangsverdacht (zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat). Dieser Anfangsverdacht kommt im Steuerstrafverfahren oft aus einer Kontrollmitteilung, aus einer Betriebsprüfung oder einer Anzeige. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) übernimmt die Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren jederzeit an sich ziehen und tut dies ohnehin, wenn es z. B. zusätzlich um Betrug oder Urkundenfälschung oder andere außersteuerstrafrechtliche Tatbestände geht. Die BuStra hat staatsanwaltschaftliche Befugnisse, ist also eine Spezialstaatsanwaltschaft der Finanzbehörden. Konkret ermittelt wird der Sachverhalt dann durch die Steuerfahndung, welche polizeiliche Befugnisse hat und praktisch eine Spezialkriminalpolizei der Finanzbehörden ist.

Ziel des Ermittlungsverfahrens ist die Prüfung, ob aus dem Anfangsverdacht ein hinreichender Tatverdacht für das Vorliegen einer Straftat geworden ist. Ein hinreichender Tatverdacht liegt nach der Definition vor, wenn aus Sicht der Strafverfolgungsbehörde eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht. Damit ist der hinreichende Tatverdacht lediglich ein höherer Verdachtsgrad als der Anfangsverdacht. Bewiesen ist an dieser Stelle noch nichts.

Das Ermittlungsverfahren endet mit dem Strafbefehl oder der Anklageschrift, die bei Gericht eingeht oder durch eine Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachtes
(§ 170 Abs. 2 StPO).

Allerdings werden 80 bis 90 % der Steuerstrafverfahren bereits im Ermittlungsverfahren erledigt durch eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage
(§ 153a StPO). Diese Verfahrenseinstellung ist insbesondere für kleine und mittlere Kriminalität vorgesehen, aber es ist immer wieder erstaunlich, in welchen Fällen man bei konsequenter Verteidigung noch zu einer Verfahrenseinstellung gelangen kann.

Nach dem Eingang der Anklageschrift beginnt das Zwischenverfahren. Der Tatrichter, der auch hinterher der Richter in der Hauptverhandlung ist, soll prüfen, ob er die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde hinsichtlich des hinreichenden Tatverdachtes teilt. Wenn ja, eröffnet er das Verfahren und eine Hauptverhandlung ist unausweichlich. Wenn nicht, kann er die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen.

Das Zwischenverfahren hat in der Praxis kaum eine Bedeutung. Die meisten Richter eröffnen die Strafverfahren „blind“. Denn einerseits gibt es selten Fälle, wo man praktisch ausschließen kann, dass eine Strafbarkeit vorliegt. Das wäre nur bei Verjährung oder groben Rechtsfehlern der Anklageschrift der Fall. Und andererseits hat der Angeklagte kein Recht, sich gegen die Eröffnung des Verfahrens zu beschweren, während der Staatsanwaltschaft oder der BuStra ein Beschwerderecht zustehen. Das führt dazu, dass Richter selbst wacklige Anklageschriften zur Hauptverhandlung zulassen, weil sie meinen, den Sachverhalt in der Hauptverhandlung schneller und einfacher klären zu können als ausführlich zu begründen, warum der hinreichende Tatverdacht nicht vorliegt.

Nach dem Zwischenverfahren schließt sich die Hauptverhandlung an. Die Hauptverhandlung kann einen oder auch sehr viele Hauptverhandlungstage dauern. Die Hauptverhandlung wird gerne auch als Kernstück des Strafverfahrens bezeichnet. Das ist nach meiner Erfahrung aber selten der Fall. Man sollte immer konsequent daran arbeiten, dass es überhaupt nicht zu einer Hauptverhandlung kommt. Liegt eine Strafbarkeit vor, gibt einem die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO oder schlimmstenfalls auch das Strafbefehlsverfahren eine Möglichkeit, eine kostspielige und psychisch belastende Hauptverhandlung zu vermeiden. Wenn es aber einmal zur Hauptverhandlung kommt, weil man sich z. B. partout nicht über die Höhe der Geldzahlung für die Verfahrenseinstellung einigen kann, dann liegt der Hauptverhandlung in den allermeisten Fällen wiederrum eine Verfahrensabsprache zugrunde. D. h. man spricht mit BuStra, Staatsanwaltschaft und Gericht vorher schon ab, was der Mandant ggf. gestehen kann, und welche Strafe er ggf. hierfür bereit wäre, zu akzeptieren. Erst wenn auch das scheitert, kommt es zu einer streitigen Hauptverhandlung.

 

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Das Steuerstrafverfahren“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig