Sehr häufig begegnet mir sowohl im Besteuerungsverfahren als auch im Steuerstrafverfahren die Konstellation des Scheinvertrages. Dabei ist es regelmäßig so, dass der Mandant einen Vertrag zur Grundlage seiner Steuererklärung gemacht hat, den das Finanzamt im Nachhinein als Scheinvertrag qualifiziert. Mit der Qualifizierung als Scheinvertrag werden die steuerlichen Folgen aus dem Vertrag rückwirkend geändert und sehr häufig wird ein Steuerstrafverfahren gegen den Mandanten eingeleitet.

Aber was ist nun ein Scheinvertrag?

Ein Scheinvertrag liegt vor, wenn die Vertragsparteien sich einig sind, dass das, was in dem Vertrag geregelt ist, in Wahrheit gar nicht gelten soll. Die Vertragschließenden schließen den Vertrag also entweder komplett zum Schein und wollen in Wirklichkeit gar keine Vertragswirkungen entfalten oder die Vertragschließenden haben zwar einen Vertrag geschlossen, aber inhaltlich einen ganz anderen als den, den sie der Besteuerung zugrunde legen.

In § 41 Abs. 2 Satz 1 AO ist nun geregelt, dass Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Besteuerung unerheblich sind und in § 41 Abs. 2 Satz 2 AO ist geregelt, dass dann, wenn durch einen Scheinvertrag ein anderes Geschäft verdeckt wird, das verdeckte Geschäft maßgeblich ist für die Besteuerung.

Das ist auch konsequent, denn das Steuerrecht folgt ja dem Zivilrecht. Und im Zivilrecht ist auch nur das vereinbart, was die Vertragschließenden wirklich wollen und nicht das, was sie zum Schein erklären (vgl. § 117 BGB).

Scheinverträge werden regelmäßig über Scheinrechnungen abgerechnet. Das führt zu erheblichen Konsequenzen.

Beispiel:

Der Unternehmer Superschlau (S) will sein betriebliches Kraftfahrzeug in sein Privatvermögen überführen. In diesem Fall müsste S den Restwert des Pkw als Einnahme verbuchen. Um dies zu vermeiden verkauft S das Fahrzeug zum Schein an seinen Nachbarn, den Gemüsehändler Gutwillig (G) für 1.000,00 € zzgl. 119,00 € Umsatzsteuer. Tatsächlich hat das Fahrzeug noch einen Restwert von 20.000,00 €.

S versteuert jetzt nur eine Betriebseinnahme von 1.000,00 € anstatt von 20.000,00 €.

G hat eine Scheinbetriebsausgabe in Höhe von 1.000,00 € und zieht aus der Scheinrechnung des S zu Unrecht die Vorsteuer in Höhe von 190,00 €.

Tatsächlich handelt es sich um einen Scheinvertrag, denn in Wahrheit hat S dem G das Fahrzeug ja gar nicht verkauft.

In einer Betriebsprüfung fällt dem Betriebsprüfer nun auf, dass der Verkaufserlös von 1.000,00 € viel zu niedrig ist. Außerdem bemerkt er, dass S mit G befreundet ist.

Der informiert den Steuerfahnder, der in seinen Ermittlungen feststellt, dass das Fahrzeug immer noch in der Garage des S steht und auch die Nachbarn bestätigen, dass S das Fahrzeug die ganze Zeit im Gebrauch hat. Er eröffnet gegen S und G ein Steuerstrafverfahren und wirft beiden Steuerhinterziehung vor.

S hat eine Betriebseinnahme von 19.000,00 € verschwiegen und Beihilfe geleistet zur Umsatzsteuerhinterziehung und Ertragssteuerhinterziehung des G.

G hat zu Unrecht eine Betriebsausgabe in Höhe von 1.000,00 € generiert und die Vorsteuer in Höhe von 190,00 € zu Unrecht gezogen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung des S geleistet.

Es gibt unendlich viele Konstellationen für Scheinverträge:

  • Der Unternehmer stellt seinen Sohn oder seine Ehefrau zum Schein in der Firma an, um zu Unrecht eine Betriebsausgabe zu generieren.
  • Der Unternehmer beschäftigt seine Mitarbeiter schwarz. Um plausibel zu machen, dass er die Leistungen durch Subunternehmen erbracht hat, benötigt er eine Scheinrechnung und legt zu dieser Scheinrechnung in der Betriebsprüfung einen zum Schein geschlossenen Subunternehmervertrag vor.
  • A kauft von B ein Grundstück für 500.000,00 €. Um Grunderwerbsteuer zu sparen, werden nur 300.000,00 € beurkundet. Die restlichen 200.000,00 € fließen über Scheinrechnungen des B an A für angebliche Beratungsleistungen.
  • Die Maklerfirma M erzielt zu versteuernde Provisionserlöse mit ihrer Makler-GmbH. Um diese Erlöse nicht gewinnerhöhend versteuern zu müssen, wird mit dem Auftraggeber zum Schein ein Vertrag geschlossen, dass die Provisionen lediglich als Vorschüsse gezahlt werden, bis die letzte Wohnung aus dem Hochhaus verkauft wird. Auf diese Weise muss M die Provisionserlöse noch nicht gewinnerhöhend verbuchen.
  • Der Unternehmer U mietet zum Schein einen bestimmten abgrenzbaren Teil des Erdgeschosses seines Einfamilienhauses an seine GmbH, angeblich als Lager oder Veranstaltungsraum. Tatsächlich werden die Räume aber ganz normal von ihm privat genutzt.
  • Der Steuerberater S möchte Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge sparen. Er überredet seine langjährige Sekretärin, sich selbstständig zu machen und ihr monatliches Gehalt in Höhe von 2.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer, gegenüber der Kanzlei als Scheinselbständige abzurechnen. Tatsächlich ändert sich am Arbeitsablauf aber gar nichts.
  • Die Sekretärin arbeitet weiterhin weisungsunterworfen ohne unternehmerisches Risiko und ohne Auftreten am Markt abhängig beschäftigt für den Steuerberater S weiter. Es handelt sich also um Scheinselbstständigkeit.
  • Der menschlichen Phantasie, Steuern zu sparen, sind keine Grenzen gesetzt. Spannend ist, was das Finanzamt ermitteln muss, um von einem Scheinvertrag auszugehen. Mehr dazu im Beitrag Beweislast/Feststellungslast.

 

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Scheinvertrag“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig

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