Eine Anklageschrift bildet die Grundlage für den Eröffnungsbeschluss des Strafgerichtes und umgrenzt den Prozessstoff für die Hauptverhandlung und das Urteil. Der Staatsanwalt soll die Anklage so fassen, dass das Urteil darauf aufbauen kann. Das gilt auch für die Grundlagen der Berechnung des Schadens. Die Anklageschrift muss sämtliche Daten liefern, auf denen das Urteil später beruhen soll. Dies stellt die Staatsanwaltschaft bei einer Anklage wegen Steuerhinterziehung vor besondere Herausforderungen. Denn der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist komplex und spiegelt alle Fragen des materiellen Steuerrechts wider.

Ich schildere im Folgenden, welche Angaben in der Anklageschrift enthalten sein müssen.

Das Wichtigste ist, dass die Anklageschrift die Umgrenzungsfunktion erfüllt, denn sonst ist die Anklageschrift nicht wirksam. Ein darauf beruhendes Urteil würde selbst ohne spezielle Rüge des Verteidigers der Revision anheimfallen.

Dagegen führen Mängel der Informationsfunktion nicht zu einem Verfahrenshindernis, sondern begründen nur in bestimmten Fällen einen Revisionsgrund.

Die Umgrenzungsfunktion verlangt für den Anklagesatz nicht mehr Informationen, als für den Schuldspruch im Urteil erforderlich ist. Erforderlich ist im Anklagesatz:

  • die Darstellung der tatsächlichen Grundlage des materiellen Steueranspruchs sowie
  • die Darstellung, durch welches Täterverhalten und
  • für welchen in Betracht kommenden Steuerabschnitt die Erklärungs- oder Anmeldepflichten verletzt worden sind.

Aus der Anklageschrift muss sich ein Vergleich der gesetzlich geschuldeten mit der aufgrund der unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Täters nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzten Steuern (Verkürzungserfolg) enthalten.

Bei mehreren Beteiligten einer Steuerhinterziehung muss sich bereits aus der Anklage ergeben, welches Tun oder Unterlassen beim jeweiligen Tatbeteiligten Gegenstand der Aburteilung sein soll und welche gesetzlichen Pflichten er verletzt hat.

Zur notwendigen Individualisierung der angeklagten Tat ist die Darstellung der Daten,

  • der Steuererklärung,
  • der Steuerarten,
  • der Veranlagungszeiträume sowie
  • des Steuerschadens

erforderlich, aber auch ausreichend.

Eine Darstellung der Verkürzungsberechnung ist dagegen nicht im Anklagesatz erforderlich, Sie gehört nicht mehr zur Abgrenzungsfunktion, sondern nur zur Informationsfunktion. Deswegen gehört sie ins wesentliche Ergebnis der Ermittlungen.

Die Tathandlung muss festgestellt werden. Denn Steuerhinterziehung ist ein Erklärungsdelikt. Strafbar ist die unrichtige, unvollständige und unterlassene Erklärung, nicht jedoch die Nichtzahlung der geschuldeten Steuer.

Deswegen ist im Anklagesatz darzustellen:

  • die Umstände, aus denen sich steuerliche Erklärungspflichten ergeben, z. B. § 90 AO, §§ 149 ff AO.
  • notwendig ist eine Gegenüberstellung der Angaben, die der Steuerpflichtige gemacht hat mit denjenigen, die er hätte machen müssen.
  • es ist eine kurze und klare Darstellung erforderlich, welche Umsätze oder Einkünfte der Beschuldigte pflichtwidrig verschwiegen oder welche unberechtigten Vorsteuerabzüge oder Betriebsausgaben er geltend gemacht hat.

Des Weiteren ist der Taterfolg im Anklagesatz darzustellen. Der Taterfolg bei Steuerhinterziehung ist die Steuerverkürzung. Hierfür ist erforderlich, darzustellen, ob und wann ein Steuerbescheid erlassen worden ist und ggf. wann und mit welchem Inhalt er dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wurde.

Bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist bei Veranlagungssteuern (z. B. Einkommenssteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer) der Abschluss der Veranlagungsarbeiten darzustellen, denn erst zu diesen Zeitpunkt tritt Vollendung ein.

Bei Scheinrechnungen ist anzugeben, in welcher Höhe die Steuererklärung auf Scheinrechnungen oder sonstigen falschen Angaben beruht und in welcher Höhe die Angaben unrichtig sind.

Steuerhinterziehung ist ein Vorsatzdelikt. Juristen nennen den Vorsatz subjektiven Tatbestand. Für die Darstellung im Anklagesatz ist ausreichend, aber auch notwendig, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde nach kannte und auch der Höhe nach zumindest für möglich hielt.

Auch die Feststellung zur Teilnahmeform ist erforderlich. Strafbar ist ja sowohl die Täterschaft als auch die Teilnahme. Erfolgt die Anklage nur wegen Teilnahme an einer fremden Steuerhinterziehung sind hier auch besondere Ausführungen zum Umfang des Vorsatzes beim Teilnehmer erforderlich.

Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen erfüllt die Informationspflichten der Anklageschrift. Hier erfolgt dann die Berechnung der Verkürzung. Diese berechnet sich aus der Differenz zwischen der gesetzlich geschuldeten Steuer und der durch den Täter bewirkten Steuer.

Beruht die Anklageschrift auf einer Schätzung müssen auch die Schätzungsgrundlagen und Schätzungsmethoden mitgeteilt werden.

Die Steuergesetzgebung ändert sich ständig. Häufig werden Steuerstraftaten erst viele Jahre nach der Tatbegehung verhandelt. Maßgeblich ist jeweils das geltende Recht zur Tatzeit. Das ist auch bei der Verjährung zu beachten.

Bei dem Vorwurf der Hinterziehung von Einkommensteuer ist keine Darstellung der einzelnen Einkunftsarten im Anklagesatz erforderlich. Denn die Einkunftsarten sind lediglich Rechnungsposten eines sich im Rahmen einer einheitlichen Hinterziehungshandlung ergebenden Verkürzungserfolges. Die Tat wird durch die Festsetzung der Jahressteuer aufgrund der Steuererklärung bestimmt.

Bei der Umsatzsteuerhinterziehung stellt die Steuerverkürzung oder die Erlangung nicht berechtigter Vorteile (Vorsteueranspruch) den Erfolg der Steuerhinterziehung dar. Der Umfang bemisst sich nach dem Nominalbetrag.

Die Tatvollendung liegt vor, sobald die Anmeldung die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung hat, also nach § 168 AO mit Einreichung der Steueranmeldung bzw. mit Zustimmung der Finanzbehörde.

Wenn die Anklageschrift evident die Umgrenzungsfunktion im obigen Sinne nicht erfüllt, ist es eine taktische Frage, wann man das Gericht auf diesem Umstand aufmerksam macht. Macht man dies bereits im Zwischenverfahren, wird das Gericht die Anklage zurückweisen und der Staatsanwalt hat Gelegenheit, eine vollständige Anklageschrift vorzulegen. Deswegen kann es unter Umständen Sinn machen, auf diesen Fehler nicht aufmerksam zu machen und erst einmal abzuwarten, ob man in der Hauptverhandlung nicht zu einem Ergebnis kommt, mit dem der Mandant gut leben kann. Denn eine unwirksame Anklageschrift kann man sehr gut im Rechtsmittelverfahren geltend machen.

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Anforderungen einer Anklageschrift wegen Steuerhinterziehung“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig