In jedem Steuerstrafverfahren gibt es praktisch zwei Verfahren, die man gedanklich immer streng auseinanderhalten muss.

In dem Steuerstrafverfahren geht es um die Frage, ob Sie eine Steuerhinterziehung begangen haben und wie Sie zu bestrafen sind.

In dem parallel laufenden Besteuerungsverfahren wird die hinterzogene Steuer nachberechnet und in Steuerbescheide „gegossen“.

Die Überschneidung dieser beiden Verfahren ist so groß, dass es vielen Mandanten schwer fällt, die beiden Bereiche auseinanderzuhalten. Es geht in beiden Verfahren um die Ermittlung eines steuerlichen Sachverhaltes.

Das Finanzamt versucht also zum Beispiel aufzuklären, welchen Umsatz und Gewinn eine gastronomische Einrichtung in einem bestimmten Jahr gehabt hat.

Damit hören die Übereinstimmungen aber schon auf.

In dem Steuerstrafverfahren und in dem Besteuerungsverfahren sind jeweils andere Abteilungen des Finanzamtes beteiligt, die nach ganz unterschiedlichen Verfahrensordnungen den Sachverhalt beurteilen.

In dem Besteuerungsverfahren ermitteln die Betriebsprüfung und die Veranlagungsstelle den Sachverhalt. Die Verfahrensordnung wird hierdurch die Abgabenordnung (AO) vorgegeben.

In dem Steuerstrafverfahren wird der Sachverhalt dagegen von der Bußgeld- und Strafsachenstelle ermittelt und hier gilt die Strafprozessordnung (StPO) wie in jedem Strafverfahren, ergänzt durch einige Paragrafen aus der Abgabenordnung. Zum Beispiel ist der Straftatbestand der Steuerhinterziehung in der Abgabenordnung geregelt und nicht im Strafgesetzbuch (§ 370 AO).

In dem Besteuerungsverfahren ergeht nach Ermittlung des Sachverhaltes ein Steuerbescheid, gegen den der Steuerpflichtige Einspruch einlegen kann. Darauf folgt eine Einspruchsentscheidung, in welchem dem Anspruch entweder stattgegeben oder dieser verworfen wird. Wird der Einspruch verworfen, bleibt der Gang zum Finanzgericht.

Daneben regelt das Rechtsinstitut der Aussetzung der Vollziehung (ADV), ob der Steuerbescheid während der Dauer des Einspruchs und Klageverfahrens bezahlt werden muss oder nicht.

Im Strafverfahren ermittelt die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft und entscheidet nach Abschluss der Ermittlungen, ob ein hinreichender Tatverdacht nach Auffassung der Ermittlungsbehörde gegeben ist oder nicht.

Wird ein hinreichender Tatverdacht bejaht, kann die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft zum Amts- oder zum Landgericht anklagen. Andernfalls ist das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen (Freispruch im Ermittlungsverfahren).

Nach Anklageerhebung ist dann also das Strafgericht zuständig, welches nach öffentlicher Hauptverhandlung durch Urteil entscheidet. Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung und der Revision möglich, wenn zum Amtsgericht angeklagt wurde. Wird direkt zum Landgericht angeklagt, ist nur noch das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof möglich (Mehr dazu im Beitrag „Blaue Himmeltheorie“).

Auch die Beweislast ist in den beiden Verfahrensarten unterschiedlich.

Im Besteuerungsverfahren trägt das Finanzamt die Beweislast für das Entstehen der Steuer und der Steuerpflichtige die Beweislast für steuergünstige Umstände (z. B. für das Vorliegen von Betriebsausgaben).

Im Steuerstrafverfahren trägt die Beweislast insgesamt der Staat.

In beiden Verfahrensarten dürfen die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden, wenn die Buchführung nicht den ordnungsgemäßen Regeln entspricht oder widerlegt worden ist.

Aber die Höhe der Schätzung kann in beiden Verfahren durchaus unterschiedlich ausfallen.

Im Besteuerungsverfahren darf realistisch geschätzt werden. Es muss keinesfalls zugunsten des Steuerpflichtigen geschätzt werden, der es in der Hand gehabt hätte, eine Schätzung abzuwenden.

Im Steuerstrafverfahren dürfen wegen des Grundsatzes in dubio pro reo dagegen nur Mindeststeuern geschätzt werden. Es muss also von Amts wegen ermittelt werden, welche Steuer der Steuerpflichtige mindestens hinterzogen hat (Mehr dazu im Beitrag „Schätzung der Steuerfahndung“).

In beiden Verfahrensarten kann man den Antrag stellen, das Verfahren auszusetzen, bis das Parallelverfahren entschieden ist.

Das Besteuerungsverfahren kann gem. § 363 AO ausgesetzt werden, bis das Strafverfahren entschieden ist.

Das Strafverfahren kann gem. § 396 AO ausgesetzt werden, bis das Besteuerungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

Ob man eine Aussetzung in dem einen oder in dem anderen Verfahren beantragt, ist eine taktische Frage, die vom Einzelfall abhängt.

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Unterschiede zwischen Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren ​“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig