Die Blaue Himmeltheorie ist nicht so schön wie sie klingt.

Mit diesem Begriff wird anschaulich klargemacht, dass in Strafsachen über dem Landgericht der blaue Himmel, also nichts sonst mehr ist.

Nun weiß jeder Student, dass gegen landgerichtliche Strafurteile der ersten Instanz das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof zulässig ist. Mit der sogenannten Blauen Himmeltheorie wird aber auf ein tatsächlich sehr dringendes Problem aufmerksam gemacht, nämlich das Fehlen einer echten Rechtsmittelkontrolle gegenüber erstinstanzlichen Urteilen des Landgerichtes.

Wann ist in Strafprozessen eigentlich das Landgericht als erste Instanz zuständig?

Es ist immer dann zuständig, wenn nach der vom Gericht im Eröffnungsbeschluss übernommenen Prognose der Staatsanwalt davon ausgeht, dass dem Angeklagten mehr als vier Jahre Freiheitsentzug drohen könnten. Die Strafgewalt des Amtsgerichtes geht nur bis zu einer Freistrafe von vier Jahren.

Könnten also mehr als vier Jahre rauskommen, muss ohnehin zum Landgericht erstinstanzlich angeklagt werden.

Des Weiteren ist das Landgericht zuständig, wenn die Komplexität des Sachverhaltes oder die Schwierigkeit der Rechtslage dies erfordern.

Ich sage meinen Mandanten bei einer erstinstanzlichen Anklage zum Landgericht gern, dass man hier nur einen Schuss frei hat, dieser also sitzen muss.

Während es nach einem erstinstanzlichen Verfahren beim Amtsgericht mit der Berufungsinstanz zum Landgericht eine vollständige Wiederholung des Verfahrens mit Tatsachen- und Rechtsüberprüfung (also einschließlich Beweisaufnahme) gibt, ist gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichtes nur noch die Revision zum Bundesgerichtshof zulässig.

Die Revision ist aber keine Wiederholung der Tatsacheninstanz, sondern eine reine Rechtsüberprüfungsinstanz. Die Erfolgsquote der Angeklagtenrevisionen liegt unter 3%. Das ist der Grund, warum man sich nicht auf das Rechtsmittel der Revision verlassen kann, auch wenn man überzeugt ist, dass das Urteil inhaltlich falsch ist.

Die Gründe für die außerordentlich schlechte Quote von erfolgreichen Revisionen zum Bundesgerichtshof sind vielfältig. Grundsätzlich kann man beim Bundesgerichtshof formelle und materielle Rechtsverletzungen rügen.

Mit den formellen Rügen wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet. Dazu gehört die unrechtmäßige Ablehnung von Beweisanträgen, die Mitwirkung eines befangenen Richters oder Sachverständigen, die Verletzung von Anhörungs- und Mitwirkungsrechten im Strafverfahren und dergleichen.

Bei den formellen Rügen besteht das Problem darin, dass diese in zulässiger Art und Weise vorgebracht werden müssen. Selbst Fachanwälte für Strafrecht und sogar rein auf Revisionsrecht spezialisierte Fachanwälte für Strafrecht scheitern regelmäßig an der Hürde, eine Rüge zulässig zu erheben. Die Zulässigkeitsschranke ist hier durch den Bundesgerichtshof und die die Revision prüfende Bundesanwaltschaft praktisch zur Kunstform erhoben worden mit dem Ziel, möglichst viele Rügen bereits als unzulässig zurückzuweisen, denn dann muss man sich mit dem eigentlichen Fehler, den der Revisionsführer behauptet, gar nicht mehr auseinandersetzen.

Zu allem Überdruss werden 70% der Revisionsbeschlüsse überhaupt nicht begründet. Da wird also der Angeklagte zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, beauftragt einen Verteidiger für viel Geld, eine vielleicht 100-seitige Revisionsschrift zu erarbeiten, und als Antwort kommt dann vom Bundesgerichtshof ein Satz, dass die Revision als offensichtlich unbegründet verworfen wurde. Dieser Kunstgriff ist dem Bundesgerichtshof dann erlaubt, wenn das Rechtsmittel offensichtlich keinen Erfolg hat. Dabei bedeutet offensichtlich aber eigentlich, dass dies für jeden Eingeweihten unmittelbar auf der Hand liegt. In der Praxis wird aber davon Gebrauch gemacht, damit man eine Revisionsentscheidung nicht begründen muss, obwohl diese Revisionsentscheidung im Senat, der aus fünf Richtern besteht, vielleicht lange streitig diskutiert wurde.

Festhalten möchte ich, dass es für den Angeklagten erheblich besser ist, erstinstanzlich beim Amtsgericht angeklagt zu werden. Wenn hier etwas nicht so läuft, wie der Angeklagte sich das vorstellt, kann er die komplette Instanz in der Berufung beim Landgericht wiederholen lassen und hat gegen das Berufungsurteil dann immer noch die Rechtsüberprüfungsinstanz beim Oberlandesgericht.

Erfolgt die Anklage aber zum Landgericht und wird dort auch zugelassen, gilt eben die Blaue Himmeltheorie. Wenn dort etwas aus Sicht des Angeklagten schiefläuft, ist das meistens nicht mehr zu korrigieren. Aber auch hier gilt ja das Sprichwort, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Blaue Himmeltheorie“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig