Ich schildere eine ganz typische Konstellation aus der Praxis.

In einem Betrieb wird eine Betriebsprüfung angeordnet. Eine Selbstanzeige ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich (§ 371 Abs. 2a und c AO).

Der Betriebsprüfer hat den Verdacht, dass eine Steuerhinterziehung vorliegen könnte. Er ist nun verpflichtet, diesen Verdacht der Bußgeld- und Strafsachenstelle mitzuteilen und gem. § 10 BpO die Betriebsprüfung zu unterbrechen. Geht der Betriebsprüfer nicht diesen Weg und stellt trotz Vorliegens seines Verdachtes weitere Auskunftsersuchen, unterliegen die Antworten des Steuerpflichtigen einem strafrechtlichen Verwertungsverbot. Im Besteuerungsverfahren bleiben die Auskünfte des Steuerpflichtigen aber verwertbar.

Die Bußgeld- und Strafsachenstelle leitet ein Steuerstrafverfahren gegen den Steuerpflichtigen ein und gibt diese Einleitung bekannt. Der Steuerpflichtige wird einen Steuerstrafverteidiger mit der Verteidigung beauftragen, der die Ermittlungsakte anfordert.

Die Bußgeld- und Strafsachenstelle wird in der Regel die Ermittlungsakte recht schnell dem Verteidiger schicken. Dort ist aber noch nicht viel drin außer der Anzeige des Betriebsprüfers und vielleicht ein paar Unterlagen, woraus sich der strafrechtliche Verdacht gegeben soll.

Jetzt laufen zwei Verfahren gleichzeitig, nämlich ein Steuerstrafverfahren und ein Besteuerungsverfahren.

In dem Steuerstrafverfahren wird die Bußgeld- und Strafsachenstelle das Ergebnis der Betriebsprüfung abwarten. Denn nach einer kurzen Unterbrechung läuft die Betriebsprüfung weiter. Der Strafverfolger möchte das Ergebnis der Betriebsprüfung abschöpfen.

In dem Betriebsprüfungsverfahren bleibt der Steuerpflichtige zur Mitwirkung verpflichtet. Aufgrund des eingeleiteten Strafverfahrens kann diese Mitwirkung aber nicht mehr erzwungen werden (§ 393 AO).

In dem Steuerstrafverfahren darf der Steuerpflichtige – wie in jedem anderen Strafverfahren auch – schweigen. Im Besteuerungsverfahren ist er aber weiterhin zur Auskunft verpflichtet. Die Verpflichtung kann nicht erzwungen werden. Aber wenn der Steuerpflichtige nicht mitwirkt und keine Auskunft gibt, kann und wird das Finanzamt daraus negative Schlüsse ziehen, also zum Beispiel den Betriebsausgabenabzug oder den Vorsteuerabzug verwehren.

An dieser Stelle angekommen kann ich nur noch allgemeine Hinweise geben. Denn ob und wie man im Betriebsprüfungsverfahren im Hinblick auf das Steuerstrafverfahren mitwirkt und welche finanziellen Risiken daraus resultieren, bleibt jedem Einzelfall vorbehalten.

Wichtig ist jedenfalls, dass der Steuerpflichtige und sein Steuerberater sich in der Betriebsprüfung mit dem Verteidiger abstimmen.

Die unterschiedliche Beweislast im Steuerstrafverfahren und im Besteuerungsverfahren ist zu beachten.

Im Steuerstrafverfahren trägt der Staat die Beweislast für das Vorliegen von falschen steuerlichen Angaben, einer darauf beruhenden Steuerverkürzung sowie dem Steuerhinterziehungsvorsatz (§ 370 AO).

Im Besteuerungsverfahren trägt aber der Steuerpflichtige die Feststellungslast (= Beweislast) für steuergünstige Tatsachen wie zum Beispiel den Betriebsausgabenabzug oder den Vorsteuerabzug.

Wenn der Betriebsprüfer zum Beispiel den Verdacht hat, in der Buchhaltung des Steuerpflichtigen befinde sich eine Scheinrechnung, aus der zu Unrecht der Betriebsausgabenabzug geltend gemacht worden ist, reicht im Betriebsprüfungsverfahren die Aussage, dass man an dem Betriebsausgabenabzug dieser Rechnung nicht mehr festhält.

Nachfragen des Betriebsprüfers zu dieser Rechnung erübrigen sich dann und sollten auch auf keinen Fall mehr beantwortet werden. Denn für die Betriebsprüfung spielt es keine Rolle, warum der Steuerpflichtige nicht mehr an der Rechnung festhält. Damit wäre im Steuerstrafverfahren aber noch lange nicht bewiesen, dass es sich wirklich um eine Scheinrechnung handelt und dass der Steuerpflichtige das auch wusste.

Viele andere Konstellationen sind denkbar, weshalb jede Frage einer Einzelbewertung bedarf.

Auch die unterschiedlichen Verfahrensarten im Strafverfahren und im Besteuerungsverfahren spielen eine große Rolle. Es kann zum Beispiel Sinn machen, eine steuerliche Frage ohne Begründung durch Einspruch und finanzgerichtliche Klage offen zu lassen im Hinblick auf das Steuerstrafverfahren.

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Steuerstrafverfahren aufgrund Betriebsprüfung“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig