Scheinverträge und Gestaltungsmissbrauch spielen in meiner Beratungspraxis eine große Rolle.

Gemeinsames Merkmal dieser beiden Begriffe ist, dass die vom Steuerpflichtigen für seine Besteuerung zugrunde gelegten Verträge jeweils nicht anerkannt werden.

Es ist in der Praxis oftmals nicht leicht, Scheinverträge vom Gestaltungsmissbrauch zu unterscheiden.

Für steuerliche Zwecke ist eine Unterscheidung oder Einordnung auch nicht zwingend notwendig, denn sowohl Scheinverträge als auch Verträge unter Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten werden vom Finanzamt nicht anerkannt.

Große Bedeutung hat die Unterscheidung aber im Steuerstrafrecht.

Der Gestaltungsmissbrauch ist in der Regel kein Fall für die Steuerfahndung. Denn beim Gestaltungsmissbrauch liegt selten ein Steuerhinterziehungsvorsatz vor.

Bei Scheinverträgen ist dagegen klar, dass der Steuerpflichtige auch einen Steuerhinterziehungsvorsatz hatte.

Denn für den Vorsatz gilt bei der Steuerhinterziehung der Grundsatz der „Parallelwertung in der Laiensphäre“.
Da kein Laie die Steuergesetze im Einzelnen kennt, wird darauf abgestellt, ob auch in einer laienhaften Vorstellung bei der zu beurteilenden Konstellation eine Steuerverkürzung eintritt.

Wenn ein Scheinvertrag angenommen wird, liegt das auf der Hand. Denn Scheinverträge § 41 Abs. 2 AO liegen immer dann vor, wenn die Vertragsparteien das vorgeblich vereinbarte gar nicht wollen.
Durch einen Scheinvertrag verdecken die Vertragsparteien immer einen anderen, tatsächlich gewollten Vertrag.
Und es liegt auch in der Laiensphäre auf der Hand, dass für die Besteuerung nur das gilt, was man tatsächlich vereinbart und nicht das, was man nur zum Schein als vereinbart vorgibt.

Beim Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten sind die geschlossenen Verträge aber tatsächlich genau so gewollt, wie sie geschlossen worden sind. Das Finanzamt erkennt diese Verträge aber trotzdem nicht an, weil die Gestaltungsmöglichkeiten, die das Bürgerliche Gesetzbuch hergibt, in missbräuchlicher Weise verwendet worden seien.

Darauf, was die Finanzverwaltung als Gestaltungsmissbrauch ansieht, komme ich gleich noch zurück. Wichtig ist mir an dieser Stelle festzuhalten, dass bei dem Vorwurf eines Gestaltungsmissbrauchs ein Steuerhinterziehungsvorsatz fern liegt, weil der Mandant, der in der Regel ein steuerlicher Laie ist, die umfangreiche Kasuistik zum Gestaltungsmissbrauch nicht kennen kann und nicht kennen muss. Wenn also ein Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht eine Gestaltung wählt, die von der Verwaltungspraxis und den Finanzgerichten als Gestaltungsmissbrauch gekennzeichnet wird, mag ein Steuerhinterziehungsvorsatz naheliegen. In diesem Fall empfiehlt sich ein Begleitschreiben zur Steuerhinterziehung.

Dem steuerlichen Laien kann die Steuerfahndung dagegen nicht unterstellen, dass der Steuerpflichtige die Verträge, die er ja tatsächlich gewollt hat, so seiner Besteuerung nicht habe zugrunde legen dürfen.

Es ist deswegen ein wichtiger Verteidigungsansatz bei dem Vorwurf von Scheinverträgen genau von diesen wegzukommen und stattdessen einen Gestaltungsmissbrauch anzunehmen. Für die Besteuerung ist dies nicht maßgeblich, weshalb das Finanzamt einen solchen Deal auch mitgehen kann. Aber für den strafrechtlichen Vorwurf hat das eben doch eine enorme Bedeutung.

Aber was ist nun Gestaltungsmissbrauch?

In dem § 42 Abs. 2 AO findet sich die Legaldefinition.

„Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.“

Man kann dem Begriff schon entnehmen, dass man hier keine trennscharfe Abgrenzung vornehmen kann zwischen Sachverhalten, die in üblicher Weise geregelt sind und Sachverhalten, die unter Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten geregelt sind.

Dem Gestaltungsmissbrauch liegt immer die Wertung zugrunde, dass das wirtschaftlich Gewollte eigentlich einfacher verwirklicht werden kann und dass die Gestaltung nur deswegen so gewählt wurde, damit eine bestimmte Steuer nicht entsteht.

Der Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten setzt also ein zielgerichtetes Handeln des Steuerpflichtigen voraus.

Die gewählte Gestaltung des Steuerpflichtigen muss dann auch noch unangemessen sein. Die Rechtssprechung hilft sich hier mit Begriffen wie „unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig“. Im Kern geht es immer darum, dass der geregelte Vorgang in üblicher Form auch anders geregelt werden kann und zwar so, dass eine Steuer entsteht.

Weil das alles so schwammig ist, hat die Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik hervorgebracht.

Eine große Gruppe bilden die Verträge zwischen Angehörigen und Ehegatten. Bei Angehörigen und Ehegatten steht erfahrungsgemäß oft auch ein privater Zweck hinter einer Vereinbarung.

Deswegen muss eine Vereinbarung, die man mit einem Angehörigen in steuerlich wirksamer Weise vereinbaren will, dem sogenannten Fremdvergleich standhalten. Man prüft also, ob der Steuerpflichtige den gleichen Vertrag auch mit einem fremden Dritten in dieser Weise vereinbart und auch durchgeführt hätte. Wenn nicht und gleichzeitig Steuern gespart werden, nimmt die Finanzverwaltung Gestaltungsmissbrauch an.

Gestaltungsmissbrauch wird aber auch oft angenommen bei Auslandsbeziehungen, bei Verträgen zwischen Gesellschaftern und ihrer GmbH, bei der gewollten Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels und vielem mehr.

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Scheinvertrag versus Gestaltungsmissbrauch“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig