Zur Einführung zwei kleine Fälle aus der Praxis:
1. Fall
Ein Gewerbetreibender möchte seiner Freundin einen teuren Kaffeeautomaten schenken. Er veranlasst den Verkäufer, eine Rechnung für seine Firma auszustellen. Tatsächlich wird der Kaffeeautomat aber nicht in die Firma, sondern an die Wohnadresse der Freundin geliefert.
Natürlich nutzt der Gewerbetreibende die Rechnung des Verkäufers zum Betriebsausgabenabzug und zum Vorsteuerabzug, weshalb er sich wegen Steuerhinterziehung strafbar macht.
2. Fall
Der Unternehmer hat einen schicken teuren Porsche im Betriebsvermögen. Er fährt damit hauptsächlich privat und nur manchmal zu Geschäftsterminen. Um den Porsche überhaupt seinem Betriebsvermögen zuordnen zu können (gewerbliche Nutzung über 10%) und um die Anschaffungs- und Nutzungskosten hauptsächlich zum Betriebsausgabenabzug und Vorsteuerabzug zu nutzen, fertigt er ein Fahrtenbuch mit erfundenen Eintragungen nachträglich an.
In beiden Fällen macht sich der Steuerpflichtige natürlich wegen Steuerhinterziehung strafbar, denn ein privat genutzter Gegenstand darf weder zum Betriebsausgabenabzug noch zum Vorsteuerabzug genutzt werden.
Bei gemischt genutzten Gegenständen (z. B. Smartphone) muss eine Aufteilung erfolgen in einen privaten und betrieblichen Bereich. Genauso verhält es sich mit gemischt genutzten Pkw, die sowohl betrieblich als auch privat genutzt werden. Maßgeblich für die Aufteilung ist dann das Fahrtenbuch, welches zu den ordnungsgemäßen Regeln der Buchführung zählt. Hat der Unternehmer kein Fahrtenbuch geführt, gilt die 1%-Regelung.
In beiden Fällen hat der Unternehmer dafür gesorgt, dass ein falscher Beleg seine Steuerhinterziehung decken und verstecken soll.
Die an den Gewerbebetrieb gerichtete Rechnung des Kaffeeautomaten-Verkäufers ist hinsichtlich des Käufers und hinsichtlich der Lieferadresse inhaltlich falsch.
Genauso inhaltlich falsch ist das nachträglich erstellte Fahrtenbuch mit erfundenen Eintragungen.
Wenn die Bußgeld- und Strafsachenstelle, die zur Aufklärung und Verfolgung von Steuerhinterziehung zuständig ist, andere Straftaten entdeckt, die nicht dem steuerlichen Bereich zuzuordnen sind, also z.B. wie hier Urkundenfälschung, strafbar gem. § 267 StGB, gibt sie den Fall an die Staatsanwaltschaft ab.
Aber handelt es sich in den beiden obigen Fällen wirklich um Urkundenfälschung?
Die Antwort ist Nein. Bei der Urkundenfälschung wird in einer Urkunde über den Aussteller getäuscht. Sowohl die Rechnung als auch das Fahrtenbuch sind Urkunden, weil sie zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt sind.
Aber es wird in beiden Fällen nicht über den Aussteller getäuscht. Aussteller der Rechnung des Verkäufers des Kaffeeautomaten ist ja immer der Verkäufer. Und Aussteller des Fahrtenbuches ist der Steuerpflichtige.
In beiden Fällen erklärt der Ersteller der Urkunde nur inhaltlich etwas Falsches. Es handelt sich um eine sogenannte schriftliche Lüge. Diese ist aber nicht als Urkundenfälschung strafbar, weil der Straftatbestand der Urkundenfälschung den Rechtsverkehr nicht vor inhaltlich falschen Dokumenten, sondern den Glauben an die Echtheit des Ausstellers schützen soll.
In beiden Beispielsfällen liegt also keine Urkundenfälschung, sondern nur tatmehrheitlich begangene Steuerhinterziehung vor.
Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Urkundenfälschung im Steuerstrafverfahren“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.
Ihr Carsten Sewtz
Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig