Das Strafbefehlsverfahren beinhaltet einige Besonderheiten gegenüber dem üblichen Gang eines gerichtlichen Steuerstrafverfahrens. Dieses Verfahren hat für den Angeschuldigten einige Vorteile, aber auch einen Nachteil. Bevor ich zu den Besonderheiten des Strafbefehlsverfahrens komme, schildere ich kurz den normalen in der Strafprozessordnung vorgesehenen Weg bis zu einem Urteil.

Nach der Einleitung des Steuerstrafverfahrens prüft die Anklagebehörde, also entweder die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft, ob sich der Anfangsverdacht zu einem hinreichenden Tatverdacht verdichtet hat. Hinreichender Tatverdacht meint überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit aus Sicht der Anklagebehörde.

In dem Fall verfasst die Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift und reicht sie beim zuständigen Gericht ein (§ 199 StPO).

Nun entscheidet das Gericht, ob auch aus dessen Sicht ein hinreichender Tatverdacht vorliegt und eröffnet das Hauptverfahren.

Mit dem Hauptverfahren ist das Gerichtsverfahren gemeint, in welchem alle Beweise erhoben werden und welches in der Regel durch Urteil (Verurteilung oder Freispruch) abgeschlossen wird.

Davon abweichend kann die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft in Fällen, die in den Zuständigkeitsbereich der Amtsgerichte fallen, einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellen. Dieser Strafbefehlsantrag wird von der Bußgeld- und Strafsachenstelle oder der Staatsanwaltschaft unterschriftsreif für den Strafrichter formuliert und bei Gericht eingereicht. Inhalt des Strafbefehls ist der strafrechtliche Vorwurf sowie die Verhängung der Strafe. In einem Strafbefehl kann Geldstrafe oder, wenn der Angeschuldigte verteidigt ist, auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden.

Der Strafbefehlsantrag wird vom zuständigen Richter unterzeichnet und dem Angeschuldigten zugestellt. Nun läuft eine zweiwöchige Einspruchsfrist. Legt der Angeschuldigte Einspruch ein, wandelt sich der Strafbefehlsantrag in eine bereits eröffnete Anklageschrift um. In diesem Fall kommt es also zwingend zur Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung vor dem Gericht.

Wird nicht innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt, steht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Strafurteil gleich.

Eigentlich ist das Strafbefehlsverfahren vorgesehen für geständige Täter bei geklärtem Sachverhalt. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle beantragt jedoch immer, wenn man sich nicht auf eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO einigen kann, einen Strafbefehl, auch wenn der Sachverhalt streitig ist.

Der Vorteil für den Angeschuldigten besteht darin, dass er den Strafbefehl auch akzeptieren kann. Das kommt zum Beispiel in Betracht, wenn die Aussichten für einen Freispruch gering sind und die verhängte Sanktion milde bis in Ordnung ist.

Der Angeschuldigte hat dann den Vorteil, dass ihm eine öffentliche Hauptverhandlung, die für einen Angeklagten wirklich kein schönes Erlebnis ist, erspart bleibt.

Zudem beinhaltet die Sanktion im Strafbefehl eine Milderung wegen der darin enthaltenen Geständnisfiktion, denn wenn der Angeschuldigte den Strafbefehl rechtskräftig werden lässt, hat er aus Sicht der Anklagebehörde ja praktisch die Tat eingeräumt und der Justiz eine längere Hauptverhandlung erspart, weshalb eine mildere Sanktion gerechtfertigt ist.

Legt der Angeschuldigte allerdings Einspruch ein, gilt das sogenannte Verschlechterungsverbot nicht. Da sich der Strafbefehl dann in eine bereits eröffnete Anklageschrift umgewandelt hat, gilt die im Strafbefehl verhängte Sanktion nicht als Höchstgrenze. Vielmehr kann der Angeklagte dann im Rahmen des Gesetzes frei verurteilt und natürlich auch freigesprochen werden.

Der einzige Nachteil, den ich im Strafbefehlsverfahren gegenüber einer Anklageerhebung für den Angeklagten sehe, ist die Tatsache, dass das gerichtliche Zwischenverfahren entfällt. Das Zwischenverfahren ist das Verfahren zwischen dem Eingang einer Anklageschrift und der Eröffnung des Hauptverfahrens. In diesem Zwischenverfahren soll das Gericht ja den hinreichenden Tatverdacht überprüfen und nur dann das Verfahren zur Hauptverhandlung zulassen, wenn auch das Gericht nach der Aktenlage den hinreichenden Tatverdacht bejaht. Im Strafbefehlsverfahren entfällt dieser Schritt. Wird der Strafbefehl erlassen und wird dagegen Einspruch eingelegt, handelt es sich bereits um eine eröffnete Anklageschrift.

Dieser Nachteil ist jedoch nicht allzu bedeutend, denn in der gerichtlichen Praxis ist das Zwischenverfahren verkümmert. Kaum ein Richter schaut sich aus eigenem Antrieb die Ermittlungsakte an und überprüft den hinreichenden Tatverdacht. Dazu hat ein Richter in der Regel gar keine Zeit.

Dagegen bietet das Strafbefehlsverfahren auch nach Einspruch noch einige Besonderheiten in der Hauptverhandlung, die zum Vorteil des Angeschuldigten gereichen.

So ist es zum Beispiel möglich, sich in der Hauptverhandlung vollständig von dem Verteidiger vertreten zu lassen, wenn das Verfahren mit einem Strafbefehl beginnt. Der Verteidiger benötigt dann nur eine besondere Vollmacht zur Ausübung der Beschuldigtenrechte in der Hauptverhandlung. Freilich ist das selten zu empfehlen, da man sich selbst jegliche Form der Einflussnahme in der Hauptverhandlung untersagt und man das Gericht darüber hinaus verärgert.

Der andere Vorteil besteht darin, dass man dann, wenn die Hauptverhandlung wirklich schlecht läuft, in der Hauptverhandlung den Einspruch gegen den Strafbefehl zurücknehmen kann. Diese Zurücknahme ist in der Hauptverhandlung zwar von der Zustimmung der Staatsanwaltschaft abhängig, aber ich habe in 27 Jahren noch nicht erlebt, dass die Staatsanwaltschaft diese Zustimmung nicht gibt. Der Angeklagte gibt ja klein bei und die Arbeit für das Gericht und die Staatsanwaltschaft wäre nach Einspruchsrücknahme sofort beendet. Würde die Staatsanwaltschaft nicht zustimmen, würde sie das Gericht zwingen, weiter zu verhandeln und ein Urteil zu erlassen und zu begründen. Das würde dann natürlich auch zur Verärgerung des Gerichtes führen.

Wenn die Verhandlung nach Einspruch gegen den Strafbefehl also schlecht läuft, kann man in aller Regel immer noch den Einspruch zurücknehmen und das alte Ergebnis aus dem Strafbefehl fixieren.

Vor Anberaumung der mündlichen Hauptverhandlung ist die Rücknahme des Einspruches ohne jede Voraussetzung und Zustimmung durch die Staatsanwaltschaft möglich. Man kann bei Erhalt eines Strafbefehls also immer erst mal Einspruch einlegen und sich über einen Verteidiger die Akte anschauen, um dann gemeinsam mit dem Verteidiger zu überlegen, ob man in die Hauptverhandlung geht oder den Einspruch lieber zurücknimmt.

Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Strafbefehl“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.

Ihr Carsten Sewtz

Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig