Ich habe einen Fall bearbeitet, in welchem es um die Frage der Grunderwerbsteuerpflicht geht bei einem einheitlichen Vertragswerk.
Ein noch unbebautes Grundstück wurde beworben für den Verkauf von Eigentumswohnungen mit Hilfe eines Prospektes. Eine Baugenehmigung für die Errichtung eines mehrgeschossigen Gebäudes lag auch schon vor. Der Verkäufer veräußerte dann in einem notariellen Kaufvertrag ein X/1000 Miteigentumsanteil an dem bestimmten Grundstück, verbunden mit einem Pkw-Stellplatz, eingetragen im Wohnungsgrundbuchblatt des Grundbuches des entsprechenden Gerichtes.
Erst sechs Monate später schlossen die Erwerber der jeweils noch zu errichtenden Eigentumswohnung einen Herstellungsvertrag zur Errichtung des Gebäudes.
Als die Grunderwerbsteuerstelle davon erfuhr, gab sie das Ganze sofort an die Bußgeld- und Strafsachenstelle und die Steuerfahndung weiter und es wurde ein Strafverfahren eingeleitet gegen sämtliche Wohnungseigentümer.
Der Vorwurf lautete auf Hinterziehung von Grunderwerbsteuer. Nicht nur der Kaufpreis für die Eigentumswohnung, sondern auch der sehr viel höhere Herstellungspreis für die Errichtung des Gebäudes zähle zur Bemessungsgrundlage des grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorganges.
Die dahinter liegende Problematik wird bezeichnet als einheitliches Vertragswerk oder auch einheitlicher Erwerbsgegenstand. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, dass im Steuerrecht nicht streng auf die zivilrechtlichen Verhältnisse abgestellt wird, sondern auf die dahinterliegenden wirtschaftlichen Vorgänge.
Im vorliegenden Fall waren der Veräußerer der Eigentumswohnung und der Bauunternehmer, der im Rahmen der Herstellungsverträge das Gebäude errichtete, personenverschieden. Zwischen den beiden Verträgen lag meist über ein halbes Jahr. Trotzdem hat die Finanzverwaltung zu Recht angenommen, dass es sich um ein einheitliches Vertragswerk handelt und deswegen sich die Bemessungsgrundlage auch auf den Preis für die Herstellung des Gebäudes beziehen muss.
Ich möchte vorwegnehmen, dass die Strafverfahren gegen die beteiligten Wohnungseigentümer gemäß § 153 a StPO (Link zu Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 a StPO) gegen Zahlung geringer Geldauflagen eingestellt worden sind. Denn die durchweg nicht vorbestraften Erwerber hatten von dieser Konstellation nicht einmal einen Vorteil.
Typische Motivation für eine Steuerhinterziehung oder eine Beteiligung daran ist, dass der Täter durch die Tat finanziell besser dastehen will. Er verschweigt Einnahmen, die er nicht der Versteuerung zuführt oder er generiert Betriebsausgaben, um seine Steuerlast unrechtmäßig zu mindern. Oder er beabsichtigt sonst irgendwelche finanziellen Vorteile wie das Hinausschieben einer Zahllast durch verspätete Abgabe der Umsatzsteuerklärung oder das Ziehen unberechtigter Vorsteuer.
Im vorliegenden Fall war die Konstellation für die Erwerber aber finanziell höchst nachteilig. Denn zwar wurden im ersten Schritt 3,5 % Grunderwerbsteuer auf den Herstellungspreis gespart, jedoch ist dadurch die Leistung des Bauunternehmers mit 19 % Aufschlag umsatzsteuerpflichtig geworden. Wenn die Vertragsparteien das Ganze als grunderwerbsteuerpflichtiges Geschäft angesehen hätten, wäre die Bauleistung umsatzsteuerfrei gewesen. So aber war in dem Preis für die Herstellung des Gebäudes die Umsatzsteuer mit 19 % inkludiert, die die Erwerber als Verbraucher nicht als Vorsteuer geltend machen konnten.
Aber im Steuerrecht und auch im Steuerstrafrecht geht es nicht um eine Saldierung, ob dem Fiskus insgesamt etwas entgangen ist oder nicht, sondern man stellt einfach auf die entsprechend entstandene Steuer ab und prüft, ob diese entstanden ist oder nicht.
Aber zurück zum Fall.
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG durch das zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Grunderwerbsteuerrechtlich ist aber maßgebend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück nach dem Willen der Vertragsparteien erworben werden soll (Gegenstand des Erwerbsvorgangs). Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in (zukünftig) bebautem Zustand, werden in diesem Zusammenhang die Begriffe „einheitliches Vertragswerk“ und „einheitlicher Erwerbsgegenstand“ verwendet.
Der Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Grundstückszustand und dem künftigen Grundstückszustand kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Rechtlich verknüpft sind die beiden Verträge zum Beispiel, wenn sie schon inhaltlich aufeinander bezogen sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie miteinander stehen und fallen sollen.
Im vorliegenden Fall gab es aber lediglich eine tatsächliche Verknüpfung in der Weise, dass rein faktisch ein Zwang bestand für die Grundstückserwerber bezüglich des „Ob“ und des „Wie“ der Bebauung. Die Erwerber waren gegenüber der Veräußererseite in ihrer Entscheidung nicht mehr frei. Denn der Veräußerer und das damit in Verbindung stehende Bauunternehmen besaßen bereits die Baugenehmigung für die Errichtung des Gebäudes und standen mit der Vielzahl der Erwerber in Kontakt. Für einen einzelnen Erwerber war es auf diese Weise gar nicht mehr möglich, anders zu seiner Eigentumswohnung zu kommen als durch den vorgezeichneten Pfad. Aus diesem Grund hat das Finanzamt wegen eines faktischen Zwangs die Grunderwerbsteuer zu Recht auch auf die Herstellungskosten des Gebäudes erstreckt.
Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Grunderwerbsteuerpflicht bei einheitlichem Vertragswerk“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.
Ihr Carsten Sewtz
Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig