Wie das Finanzamt versucht, den Steuerpflichtigen auszutricksen.
Neulich hatte ich es mit einer besonders trickreichen Vorgehensweise des Finanzamtes im Zusammenhang mit sogenannten Serviceunternehmen zu tun.
Als Serviceunternehmen werden solche bezeichnet, die über keinen eigenen Geschäftsbetrieb verfügen, als Geschäftsführer einen Strohmann haben und die nur gegen Geld (meist 10 % der Rechnungssumme) anderen Unternehmen Scheinrechnungen ausstellen. Mit diesen Scheinrechnungen kann irgend ein anderer Unternehmer Lohnzahlungen für Schwarzarbeiter abdecken.
Häufig tauchen in einer Betriebsprüfung bei einem Unternehmer Rechnungen auf, von denen das Finanzamt weiß, dass es sich um solche Serviceunternehmen handelt. Es unterstellt dann meist, dass der Rechnungsempfänger eigene Schwarzarbeit mit dieser Scheinrechnung abdeckt.
Dabei ist mittlerweile auch dem Finanzamt bekannt, dass nicht nur der Rechnungsempfänger als Arbeitgeber der Schwarzarbeit in Betracht kommt, sondern auch der sogenannte Kolonnenführer. Der Kolonnenführer ist wiederum eine Person, die Schwarzarbeiter anleitet, überwacht und bezahlt, also Arbeitgeber ist, der aber weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge abführen möchte. Auch dieser Kolonnenführer kann sich zur Abdeckung der Leistungen eines solchen Serviceunternehmens bedienen. Er tritt also an den Leistungsempfänger heran und bietet Arbeitnehmer für Eisenflechtarbeiten, Abbruch oder andere lohnintensive Gewerke an und rechne diese Leistungen mit der Rechnung des sogenannten Serviceunternehmens ab und nicht selbst. Der Leistungsempfänger weiß freilich nicht, dass die Mitarbeiter, die durch das Subunternehmen auf seiner Baustelle arbeiten, gar nicht von dem rechnungsausstellenden Unternehmen stammen.
Nun hatte ich die Konstellation, dass der Mandant, der sich an mich gewendet hat, das Strafverfahren bereits hinter sich hatte. Das Finanzamt hatte Rechnungen von solchen Serviceunternehmen in seiner Buchführung i. H. v. mehreren hunderttausend Euro gefunden und ging natürlich erst mal davon aus, dass der Mandant Schwarzarbeit abgedeckt hätte mit diesen Scheinrechnungen. Dies konnte man ihm nicht nachweisen, das Strafverfahren wurde eingestellt gem. § 170 Abs. 2 StPO, was praktisch ein Freispruch im Ermittlungsverfahren ist (allerdings ohne Rechtskraftwirkung).
Der Mandant dachte schon, er hätte dieses existenzbedrohende Kapitel hinter sich gebracht, aber nun kam das Finanzamt mit § 160 AO. Nach § 160 Abs. 1 AO sind Betriebsausgaben nicht steuerlich anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder die Empfänger genau zu benennen.
Sinn der Vorschrift ist, dass der, der eine Betriebsausgabe steuermindernd geltend macht, die Leistungen auch von demjenigen erhält, der die entsprechende Einnahme bei sich versteuert. Deswegen werden Betriebsausgaben nach § 160 AO nur anerkannt, wenn der Empfänger der Betriebsausgabe bekannt ist.
Aber was hat das mit unserem Fall zu tun?
Das Finanzamt hat erst einmal ausgeführt, dass in der Buchführung des Mandanten Rechnungen i. H. v. mehreren hunderttausend Euro waren, die von sogenannten Servicefirmen stammten. Es sei ermittelt worden, dass diese Serviceunternehmen die Leistungen gar nicht erbracht hätten können, weil sie zum Beispiel nicht über Mitarbeiter verfügt haben.
Der Steuerpflichtige wurde nun aufgefordert, gem. § 160 Abs. 1 AO den tatsächlichen Empfänger der Zahlungen zu benennen, die eben nicht in den rechnungsausstellenden Unternehmen gesehen worden sind. Natürlich hat das Finanzamt auch darauf hingewiesen, dass es dann, wenn der Steuerpflichtige den tatsächlichen und wahren Empfänger nicht benenne, den Vorsteuerabzug und den Betriebsausgabenabzug aus den Rechnungen versagen würde.
Ich habe dem Mandanten geraten, einfach an das Finanzamt zurück zu schreiben, dass er davon ausgehe, dass die rechnungsausstellenden Unternehmen die Leistungen erbracht hätten. Andere eigene Erkenntnisse lägen ihm nicht vor.
Dieses Auskunftsersuchen des Finanzamtes sehe ich wirklich als Falle. Denn hätte der Mandant jetzt zum Beispiel mitgeteilt, nicht das rechnungsausstellende Unternehmen XY, sondern Herr Raffgier sei der eigentliche Empfänger des Werklohns gewesen, wäre folgendes passiert.
Zunächst einmal wäre das ein Geständnis gewesen, dass der Mandant Scheinrechnungen bezahlt hat, denn unter der Voraussetzung, dass das Subunternehmen die Leistungen gar nicht erbracht hat, sondern zum Beispiel Herr Raffgier mit seinen Arbeitern, würde es sich bei der Rechnung des Subunternehmens XY um eine Scheinrechnung handeln. Steuerliche Konsequenz wäre definitiv, dass man ihm den Betriebsausgabenabzug versagt sowie den Vorsteuerabzug. Es wäre also genau das passiert, was das Finanzamt ihm angedroht hat, wenn er nicht den tatsächlichen Leistungserbringer benennt. Es werden ja nicht nur die Betriebsausgaben und die Vorsteuer versagt, wenn man den Empfänger nicht benennt, sondern auch dann, wenn man auf eine Scheinrechnung gezahlt hat. Und um eine Scheinrechnung würde es sich zwangsläufig handeln, wenn das rechnungsausstellende Unternehmen die Leistungen gar nicht erbracht hätte.
Des Weiteren wäre das in strafrechtlicher Hinsicht ein Geständnis gewesen. Denn hätte der Mandant jetzt das gesagt, was man ihm im Strafverfahren gar nicht nachweisen konnte, nämlich, dass die Leistungen eigentlich gar nicht vom rechnungsausstellenden Unternehmen stammen, sondern in unserem Fall von Herrn Raffgier, dann hätte er genau das eingeräumt, was man ihm vorgeworfen hat. Konsequenz wäre, dass man das Strafverfahren gleich wieder eröffnet, denn die Einstellung des Strafverfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO hat keine Rechtskraftwirkung. Gibt es neue Erkenntnisse, wie hier zum Beispiel durch das Geständnis, wird das Strafverfahren wieder eingeleitet.
Dieses Auskunftsersuchen des Finanzamtes ist aber auch höchst widersprüchlich, denn eingangs wurde erwähnt, dass man dem Mandanten nach dem positiven Ausgang des Strafverfahrens ja glauben würde, dass er davon ausgegangen sei, dass die rechnungsausstellenden Serviceunternehmen die Leistungen auch tatsächlich erbracht hätten. Wenn das aber so ist, kann es sich nicht um Scheinrechnungen und nicht um Scheinverträge handeln. Ein Scheingeschäft nach § 41 Abs. 2 AO liegt nur dann vor, wenn beide Parteien sich einig sind, dass der vorgebliche, der Besteuerung zugrunde gelegte Vertrag und die entsprechenden Rechnungen gar nicht vereinbart sind. Wenn nur einer, hier der Mandant, an die Korrektheit des Geschäftes glaubt, kann es sich schon nicht um Scheingeschäfte handeln.
Des Weiteren ist das Auskunftsersuchen des Finanzamtes widersprüchlich, weil der Steuerpflichtige nach § 160 AO nur seine eigenen Kenntnisse über den Leistungserbringer und den Empfänger der Rechnung mitteilen muss. Und der Mandant ging ja davon aus, dass die im Nachhinein als Serviceunternehmen erkannten Firmen die Leistungen tatsächlich erbracht hatten, weshalb sein Strafverfahren eingestellt wurde und was das Finanzamt ja auch dem Auskunftsersuchen zu Grunde gelegt hat. Die Antwort auf das Auskunftsersuchen ist also eigentlich bereits vorgegeben. Wenn der Mandant denkt, die rechnungsausstellenden Serviceunternehmen hätten die Leistung erbracht, dann sollte auch genau das seine Auskunft sein. Was das Finanzamt alles im Nachhinein ermittelt hat über diese Serviceunternehmen, ist von ihm nicht zu erklären. Erklärungsinhalt seiner Auskunft kann nur das sein, was Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung ist.
Ergebnis ist, dass das Auskunftsersuchen des Finanzamtes ins Leere läuft. Aber ungefährlich war dieses Auskunftsersuchen für den Mandanten nicht.
Ich hoffe, Sie konnten mit meinem Beitrag einen Einblick zum Thema „Abdeckrechnung im Baugewerbe“ erhalten. Melden Sie sich gern, wenn Ihnen etwas unklar ist oder Sie Rückfragen haben.
Ihr Carsten Sewtz
Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerstrafrecht aus Leipzig